Im Gespräch

Schwester Benedicta, Bonn-Bad Godesberg

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

 

 

 

Laura Köpf und Mareike Mössner

Reportage der Hochschule der Medien in Stuttgart

 

Leben als Eremit

Einsam, entlegen, erfinderisch

 

21.11.2016

 „Eremiten sind Wüstenbewohner der modernen Welt, die sich dazu entschlossen haben, ein Leben abseits des Alltagstrubels zu führen“, sagt Ebba Hagenberg-Miliu. Der 71-jährige Hans Anthon Wagner ist so ein Wüstenbewohner, er hat die Einsamkeit als Lebensform gewählt. Seit 43 Jahren lebt er in einem Schäferkarren auf nur 3,6 Quadratmetern Wohnraum. Doch wie leben Eremiten heute, abseits des Alltagstrubels und der Großraumbüros

 

Ein kühler Novembermorgen, es ist 7.30 Uhr. Im Naturpark Schönbuch nahe Tübingen steht ein winzig kleiner Schäferkarren etwas verlassen am Waldrand. Hans Anthon Wagner öffnet die Tür seiner Behausung. Er macht Feuer, kocht Wasser und nimmt Platz in seinem selbsternannten, 2100 Quadratmeter großen Freiluft-Wohnzimmer. Er ist die Verkörperung des modernen Eremiten, allein lebend und sich selbst genügend.

 

Dem Hamsterrad entfliehen

 

„Eremiten sind der Wortbedeutung nach Wüstenbewohner", so Ebba Hagenberg-Miliu, Journalistin und Buchautorin. Sie porträtierte bisher 33 Eremiten, darunter auch Hans Anthon Wagner. Vom Frieden und der Gelassenheit dieses bescheidenen Lebens, aber auch von den negativen Seiten, berichtete sie. Eremiten leben einsam und ohne Beziehungen, manche sogar enthaltsam. Darüber hinaus unterscheiden die Konzentration aufs Wesentliche und ein ruhigerer Alltag ein eremitisches Leben von jenem eines durchschnittlichen deutschen Bürgers. „Es betrifft auch unser Leben. Aus dem Alltag herauskommen, dem Hamsterrad entfliehen und sein Leben entschleunigen, das ist einfach ein faszinierender Gedanke", so die Journalistin.

 

Eremiten als Nachbarn

 

Unter den Eremiten, die sie fand, gibt es religiös-motivierte Menschen, oft ehemalige Mönche und Nonnen. Für sie bedeutet das Eremitendasein eine Annäherung an Gott. Es gibt aber unter ihnen auch viele Menschen wie den Nachbarn drei Türen weiter. „Sie finden eremitisches Leben heute im Hochhaus um die Ecke, im Zirkuswagen, in der Wohnung nebenan. Vielleicht wissen Sie gar nichts davon, dass da ein Mensch ist, der abgekapselt von allem leben will."

 

Hagenberg-Miliu bezeichnet diese Einsiedler als „Feld-, Wald und Wiesen-Eremiten". Zu diesem Typ gehört auch Wagner, den sie während ihrer Recherche kennengelernt hat. „Er ist ein Eremit der philosophischen Art, der sehr auf die Natur bezogen ist". Das Bedürfnis nach Alleinsein habe Wagner gespürt, seit er denken kann. Die Abwesenheit anderer Menschen sei für ihn meist kein Mangel, sondern fördere ganz im Gegenteil sein Wohlbefinden. Wagner war erst 29 Jahre alt, als er beschloss, in einen Schäferkarren am Waldrand zu ziehen. Ein ungewöhnlich junges Alter für den Neustart als Eremit. Erfinderisch und kreativ richtete er sich seine neue Wohnung in der Natur ein.

 

„Reise ohne Rückfahrkarte"

 

„Eremit sein ist eine Reise ohne Rückfahrkarte, eine Entscheidung fürs Leben. Man wird nicht Eremit, um mal kurzzeitig den Kopf freizubekommen und irgendwann wieder in den geregelten Alltag zurückzukommen." Wenn der Entschluss gefasst ist, bringt er den Abbruch der bisherigen Lebensweise mit sich. Dazu gehören das Loslassen aller sozialen Kontakte und natürlich auch der Berufsausstieg. „Eremiten ticken ganz anders, sie sind nicht mit den Kommunikationsformen, die wir pflegen, vertraut", so Hagenberg-Miliu. Eine wirkliche Freundschaft zu den Eremiten, die sie getroffen hat, sei daher nie entstanden.

 

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Bruder Hugo

Foto: privat

 

 

 

 

 

 

Interview von Ines Jonas mit Ebba Hagenberg-Miliu in BAGSO Nachrichten 04/2014

 

Fern der hektischen Welt, aber nicht weltfremd

Wie moderne Eremiten leben

Für ihr Buch „Allein ist auch genug. Wie moderne Eremiten leben“ hat die Bonner Journalistin Ebba Hagenberg-Miliu 33 deutschsprachige Eremiten aufgespürt, deren Motive und Alltag sie vorstellt. Ines Jonas befragte dazu

die Autorin.

 

·        Wie verrückt muss man sein, um Eremit zu werden?

Ham: Nein, überhaupt nicht verrückt. Sondern konsequent darin, die Sehnsüchte, die viele von uns heute haben, in dieser extremen Lebensform wirklich umzusetzen: also endlich einmal Ruhe einkehren zu lassen, Unnötiges im Alltag abzuwerfen, asketisch zu leben, die Reizüberflutung auszuschalten, sich dafür aber aufs Wesentliche zu konzentrieren, zu sich selbst und/oder zu Gott zu finden. Dieser radikale Schritt, in die Einsamkeit zu gehen, heißt aber bei Eremiten oder Einsiedlern nicht nur: „Ich bin dann mal weg, und ich komme bald gestärkt wieder“. Das wäre nur kurzfristiges Aussteigen. Sondern es heißt, eine risikoreiche Reise ohne Rückfahrkarte anzutreten.

 

·        Sie stellen sowohl kirchlich gebundene als auch weltliche Eremiten vor. Wie viele Menschen in Deutschland haben sich für ein eremitisches Dasein entschieden? Und wo und wie leben diese Menschen?

Ham: Die Katholische Kirche zählt in Deutschland derzeit in Deutschland rund 80 ihr verbundene Eremiten. Tendenz ständig steigend. Es gibt aber auch jede Menge Einsiedler in der freien Wildbahn, die sich nicht zählen lassen. Eremit heißt im Wortsinn Wüstenbewohner. Schon in den frühchristlichen Jahrhunderten suchten sogenannte Wüstenväter  und –mütter in der ägyptischen Wüste die Stille und den Dialog mit Gott. Heute können wir Eremiten nicht nur in abgelegenen Gegenden, sondern auch in der Stadtwüste finden, zurückgezogen aus allen menschlichen und beruflichen Zusammenhängen im Hochhaus nebenan, in der Klause an einer Kapelle oder auf der Wiese im Schäferkarren.

 

·        Welche Motive hatten diese Personen, um ein Leben in Abgeschiedenheit zu wählen?

Ham: Meist sind es Menschen in der Lebensmitte, durchaus oft auch in hohen Positionen, die aus einer Krise heraus diese neue und für sie einzig mögliche Lebensform wählen. Die sich aus allen Zusammenhängen verabschieden. Christliche Eremiten reden von Berufung. Alle sagen aber auch, man sollte „mitten im Leben“ gestanden, Erfahrungen gesammelt haben, sich selbst disziplinieren können, um es dann wirklich 24 Stunden am Tag nur mit sich selbst auszuhalten. Denn das ist letztlich die höchste Hürde. Und jeder Eremit muss sich dann auch mit einfachen Arbeiten selbst finanziell über Wasser halten können: als Küster einer Kapelle, als Teilzeit-Kantor, als Kerzenmaler, als Übersetzer, als Selbstversorger.

 

·        Sie stellen auch bspw. Schwester Britta aus Regensburg vor, die aktiv im Internet unterwegs ist. Ist das nicht ein Widerspruch zum eremitschen Leben?

Ham: Nein, Schwester Britta tut das auf moderne Weise, was letztlich alle von mir befragten und recherchierten Eremiten für die Gesellschaft leisten: Sie hat ein offenes Ohr für die Nöte ihrer Mitmenschen. Eremiten sind meist sehr gute und uneigennützige Seelsorger. Für einige Menschen sind gerade diese lebensweisen Eremiten sogar hilfreicher als Psychologen oder Pfarrer. Diesen Dienst tun Eremiten aber natürlich nur in den zeitlichen Grenzen, die ihre Lebensweise fordert. Sie müssen sich vor unnötigen Kontakten schützen.

 

·        Was hat Sie bewogen, dieses Thema aufzugreifen und ein Buch darüber zu schreiben?

Ham: Oh, ich als Journalistin hätte mir eigentlich nicht denken können, gerade über Menschen zu schreiben, die die Stille suchen. Ich hatte recherchiert, dass in Bonn eine Eremitin zugezogen war – und dann war es um mich in dieser kleinen Klause geschehen. Ich war sofort fasziniert: von dieser Ruhe, diesem Frieden, ja dieser Oase nur ein paar Meter entfernt vom täglichen Trubel. Ich fand in der Eremitin Schwester Benedicta eine Gesprächspartnerin, die zwar mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen stand, aber gleichzeitig in einer Weise ihren Glauben lebte, der mich beeindruckte. Da wollte ich mehr darüber wissen. Wobei ich mir für ein Buch natürlich keine schwierigeren Interviewpartner suchen konnte, als Eremiten, die gerade vor neugierigen Journalisten die Flucht ergreifen… Schwester Benedicta hat mir im katholischen Bereich vielfach als Türöffnerin geholfen. Ansonsten habe ich mit Fingerspitzengefühl und Diskretion das Vertrauen der Einsiedler erworben.

 

·        Was und wer hat Sie dabei am meisten beeindruckt?

Ham: Wie gesagt: Die Authentizität und die Freude, mit der Schwester Benedicta in ihrer kleinen Klause sich selbst genug ist und zu Gott findet. Und zum Beispiel auch das Glück, von dem mir etwa der freie Einsiedler Anthon Wagner berichtet, der seit vier Jahrzehnten in seinem Mini-Schäferkarren auf der Schwäbischen Alb eins mit der Natur ist.

 

Ebba Hagenberg-Miliu ist promovierte Germanistin und Buchautorin. Sie ist mit den Schwerpunkten Kirche, Soziales und Bildung als freie Journalistin tätig für Tageszeitungen, die Nachrichtenagentur epd und die Homepage der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Information und Kontakt: http://allein-ist-auch-genug.jimdo.com

 

Verlosung

Abseits vom Alltagslärm wagen Eremiten ein Leben in konsequenter Armut und Stille. Sie haben so gar nichts Modernes, Attraktives an sich. Oder vielleicht doch? Denn erfüllen sich nicht gerade diese Exoten Sehnsüchte, die auch viele von uns umtreiben? Den Wunsch nach Entschleunigung zum Beispiel, den nach innerer Ruhe und danach, sich selbst zu erkennen. Aber gibt es heute überhaupt noch Menschen, die sich auf diese radikale Lebensform frühchristlicher Wüstenväter einlassen? Die Journalistin Ebba Hagenberg-Miliu hat sich auf die Suche nach modernen Eremiten gemacht – und sie hat 33 leibhaftige Einsiedler, darunter erstaunlich viele Frauen, aufgespürt, die auch bereit waren, etwas von ihrer Lebensart preiszugeben.Sie können eines der zehn Exemplare, die der Verlag der BAGSO zur Verfügung gestellt hat, gewinnen,

BAGSO-Pressereferat, Bonngasse 10, 53111 Bonn, wittig@bagso.de

http://www.bagso.de/publikationen/bagsonachrichten.html

BAGSO-Nachrichten_4_2014_25_Jahre_BAGSO-
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Michaelskapelle mit Eremitage in Bonn-Bad Godesberg

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

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Sonntag, 20. Juli 2014, ca. 12.15 Uhr, Domradio-Programm

Friederike Seeger spricht mit Ebba Hagenberg-Miliu über deren Eremiten-Buch "Allein ist auch genug".


Schwester Benedicta. Foto: Ronald Friese


Zu hören entweder über die Kölner UKW-Frequenz  101,7 oder über das WEB-Radio auf domradio.de

Empfang | domradio.de - katholische Nachrichten

domradio.de - Katholische Nachrichten

Mitschnitt_Interview zu moderne Eremiten
MP3 Audio Datei 5.9 MB

Bruder Petrus

Foto: privat

 

 

Neues aus den Akademien

Rheinland ganz allein?

Bei der alljährlichen "Sommerwoche der Akademie" ging es im Rheinland dieses Mal um Alleinsein und Gemeinschaft. Über eine besondere Form des Alleine-Lebens, das Eremitentum, berichtete die Journalistin Dr. Ebba Hagenberg-Miliu, die mit 33 modernen Eremiten sprach. Was bewegt Frauen und Männer dazu, dieses Leben nicht nur auf Zeit, sondern auf Dauer zu wählen? Können sie uns normalen Alltagsmenschen, eingebunden in vielerlei notwendige oder vermeintliche Pflichten, Impulse geben? Ein Interview mit Ihr finden Sie auf der Seite der Akademie.

http://us6.campaign-archive2.com/?u=7ccf3d9846f02322bfad57e13&id=38f7b723e5&e=ea5c99627c

 

 

 

 

 

 

Anthon Wagner

Foto: privat

Evangelische Akademie im Rheinland
Tagung am 15. Juli 2014
 
Interview mit der Journalistin und Buchautorin Dr. Ebba Hagenberg-Miliu

Moderne Eremiten: kein alltägliches Leben

Am kommenden Montag beginnt die diesjährige Sommerwoche der Akademie. Dieses Mal geht es um Alleinsein und Gemeinschaft. Über eine besondere Form des Alleine-Lebens, das Eremitentum, wird dabei die Journalistin Dr. Ebba Hagenberg-Miliu berichten.

 

Eremiten leben einen Gegenentwurf zu unserem modernen Alltag -  ein Leben in Abgeschiedenheit, Armut und Askese. Was bewegt Frauen und Männer dazu, dieses Leben nicht nur auf Zeit, sondern auf Dauer zu wählen? Wie verstehen sie sich selbst und wie sieht ihr Alltag aus? Welche Impulse können sie uns ganz normalen Alltagsmenschen, eingebunden in vielerlei notwendige oder vermeintliche Pflichten, geben?  

 

Für ihr Buch „Allein ist auch genug. Wie moderne Eremiten leben“ hat die Journalistin Ebba Hagenberg-Miliu 33 deutschsprachige Eremiten nach ihrem Alltag und den Motiven für ihren Weg befragt. Was Sie dabei erfahren hat - darüber wird sie in der Sommerwoche berichten. Vor Beginn der Tagung hat die Öffentlichkeitsbeauftragte der Akademie, Hella Blum, schon einmal nachgefragt.    

 

Hella Blum: Sie schreiben, dass die Zahl der Eremitinnen und Eremiten zunimmt, nicht abnimmt. Ein Lebensmodell, das die Vorläufer des klösterlichen Lebens, die Wüstenväter, im 3. bis 5. Jahrhundert geprägt haben, ist also nicht Geschichte, sondern ist auch für Menschen des 21. Jahrhunderts attraktiv. Warum? Welche Gründe haben Ihnen ihre Interviewpartner genannt?  

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Man geht aktuell von rund 80 der katholischen Kirche verbundenen Eremiten allein in Deutschland aus. Tendenz steigend, seitdem diese Kirche die Möglichkeit einer Bindung an einen Bischof, also das Diözesaneremitentum, geschaffen hat. Unter ihnen sind eine ganze Reihe ehemaliger Protestanten. Die freien Einsiedler kann ohnehin keiner zählen. Welche Gründe mir genannt wurden? Es ging allen, den kirchlich gebundenen wie den Einsiedlern „in der freien Wildbahn“, um eine komplette Neuausrichtung ihres Lebens: die Suche nach Stille und Einsamkeit, den Ausstieg aus dem Hamsterrad des täglichen Wahnsinns, die Beschränkung auf das Wesentliche, die Sehnsucht nach einer spirituellen Lebensart. Die kirchlich Orientierten würden hier sagen: die Sehnsucht nach Gott, es geht um den Dialog mit Gott.  

 

Hella Blum: Etwas vereinfacht gefragt: Wie wird man Eremit? Und mehr noch: Wie bleibt man Eremit?

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Um als katholischer Diözesan- oder Ordenseremit anerkannt zu werden, müssen Probezeiten bestanden und Verpflichtungen eingegangen werden. Die meisten haben dann einen „geistlichen Vater“, eine „geistliche Mutter“, an der Seite. Im orthodoxen Bereich gibt es Ähnliches. Ansonsten heißt es für alle gleich: Abschied nehmen von allen Zusammenhängen, in denen man bisher eingebunden war, im beruflichen wie im privaten Sinne. Es heißt Suche nach einer asketischen Bleibe, sei es nun im kirchlichen Bereich eine Klause oder ein Rückzugsort „in der freien Wildbahn“. Es heißt strenge Strukturierung des Tages. Und Vorsicht: Es heißt letztlich immer auch: Ich muss mich irgendwie mit einfachen Arbeiten selbst ernähren.  

 

Hella Blum: Leben die modernen Eremiten ihr Leben alle in ähnlicher Weise oder gibt es ganz unterschiedliche Ausprägungen der eremitischen Lebensform?  

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Natürlich gibt es vielerlei Modelle, die letztlich auch davon abhängig sind, wie der Eremit seine Lebensweise finanziert. Da gibt es diejenigen, die an Kapellen oder Wallfahrtsorten Küsterarbeiten ausführen wie Bruder Hugo in den Niederlanden. Die Bonner Schwester Benedicta hat dazu viele Jahre Kerzen gefertigt. Andere können als Übersetzer überleben. Anthon Wagner, der freie Einsiedler im Schäferkarren auf der Schwäbischen Alb, malt Miniaturbilder. Jeder hat seinen eigenen Weg gefunden, diese Reise ohne Rückfahrkarte weiterzuführen. Gleich dürften bei allen aber die Disziplin und der starke Wille sein, mit der sie ihr Alleinsein leben. Das hört sich in diesem Zusammenhang sicher seltsam an: Aber der Eremit lebt nicht einfach vor sich hin und lässt sich gehen, sonst würde er ganz schnell gegen die Wand fahren.  

 

Hella Blum: Die Wüstenväter waren gläubig. Trifft das auch auf alle heutigen Eremiten zu? 

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Tja, was heißt hier gläubig? Die kirchlich orientierten Eremiten suchen zweifellos den Dialog mit Gott, die anderer Religionen ebenfalls. Ich schreibe z. B. auch über eine Deutsche, die in Indien ihre Eremitenhöhle fand. Aber finde ich etwa bei einem Anthon Wagner, der seit einigen Jahrzehnten im Schäferkarren auf der grünen Wiese lebt, so sehr viel anderes, wenn er sagt, er sei eins mit der Natur, also mit der Schöpfung?  

 

Hella Blum: Wie sieht der Alltag eines Eremiten aus?  

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Wie schon gesagt: Der will bei jedem Eremitenmodell strukturiert sein, sonst hält es der Mensch 24 Stunden allein mit sich auf Dauer nicht aus. Die tägliche Arbeit gibt schon mal eine Form. Und der Eremit lebt ja dazu auch asketisch ohne Spülmaschine & Co. Die regelmäßigen Gebete verleihen den kirchlich Gebundenen ihr geistliches Rückgrat. Übrigens ist jeder Tag Alltag: Eine Schwester Benedicta fährt nicht in Urlaub, sie trifft sich nicht zum Kaffeetrinken. Sie geht auf kein Familienfest. Sie geht raus aus ihrer Klause, etwa wenn ihre Schwester krank ist, wenn sie also einen Dienst zu erfüllen hat.  

 

Hella Blum: Welche persönlichen Voraussetzungen bringen die Eremiten mit, um dieses Leben in Zurückgezogenheit leben zu können?

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Die erfahrenen Eremiten sagen: Du musst auf jeden Fall geistig und körperlich robust sein, du solltest im Leben möglichst schon „deinen Heuwagen eingefahren“ haben, also Erfahrung haben, vor allem mit dir selbst umgehen zu können. Eine Flucht sollte Eremitentum auf keinen Fall sein. Da hat es schon Einweisungen in die Psychiatrie, da hat es Selbstmorde gegeben. Wie gesagt: 24 Stunden auf Dauer nur mit sich selbst auskommen zu können, das dürfte die höchste Hürde sein.  

 

Hella Blum: Was haben Ihre Gesprächspartner darüber berichtet, welcher Verzicht für sie besonders schwer ist, welche Belastungen und Gefährdungen es gibt?  

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Alle die, die es schaffen, es mit sich selbst auszuhalten, sprechen nicht von Verzicht, sondern nur vom Gewinn, zu sich selbst, zu Gott gefunden zu haben. Schwierig wird es natürlich, wenn Krankheiten und Alter kommen. Dann finden wir die Einsiedler in der freien Wildbahn ja oft einsam verstorben auf. Kirchlich Gebundene suchen dann einen Rückzugsort.  

 

Hella Blum: Zum eremitischen Leben gehört der Rückzug, die Abgeschiedenheit. Leben also alle Eremiten an schwer erreichbaren Orten, im Wald, im Gebirge?  

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Einige schon, andere leben aber vielleicht auch direkt um die Ecke: in einem Wohnblock ganz einsam mitten in der Stadtwüste wie eine ehemalige erfolgreiche Ärztin in Mannheim, oder in einem Zirkuswagen in Zürich, wer weiß das schon.  

 

Hella Blum: Sie schreiben, dass die Eremiten ihre Lebensform nicht als Flucht vor der Welt, sondern als Dienst an verstehen. Was ist damit gemeint?  

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Dienst ist bei kirchlich gebundenen Eremiten ihr regelmäßiges Gebet für das Heil der Welt. Dienst ist die Lebensform aber auch bei allen, mit denen ich gesprochen oder die ich recherchiert habe, in dem Sinne, dass sie demjenigen, der ein offenes Ohr braucht, Zeit und Geduld schenken. Dass sie gezielt Hilfesuchende an ihrer Lebensweisheit teilhaben lassen. Ich kenne Eremiten, die regelrecht seelsorgerisch tätig sind. Und da ist dann genau ihr garantiert uneigennütziger Ansatz entscheidend, den Menschen nicht beim Partner, Psychologen oder Pfarrer finden konnten.  

 

Hella Blum: Wenn jetzt jemand neugierig geworden ist und einfach mal auf Zeit eremitisch leben möchte. Gibt es dazu Möglichkeiten?  

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Ja, es gibt in allen Kirchen zahlreiche zeitlich begrenzte spirituelle Angebote. Ich beschreibe in meinem Buch auch eremitische Schnupperangebote, in denen man sich für eine Zeit erproben kann. Denn die extreme eremitische Lebensform ist sicher nur für die allerwenigsten gut.  

 

Hella Blum: Zum Schluss eine persönliche Frage: Eremiten heute – das ist kein Thema, das „auf der Straße liegt“. Wie sind Sie darauf aufmerksam geworden? Und: Welche Impulse haben Sie für sich aus dem Gedankenaustausch und den Gesprächen mit den Eremiten mitgenommen?

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Ich habe als Tageszeitungsjournalistin in die Klause der Bonner Eremitin Schwester Benedicta gefunden. Und da war es um mich geschehen: Das Thema hat mich elektrisiert. In dem Sinne, dass ich mehr darüber schreiben wollte. Schwester Benedicta war bereit, als Türöffnerin zu anderen katholischen Eremiten zu wirken, weil sie mit Hilfe des Buches zeigen wollte, „dass auch heute noch Menschen berufen werden“, wie sie es formuliert. Eremitentum ist also auch Berufung.
Ich habe aber gleichzeitig gespürt, dass das Thema sehr viel mit meinem eigenen, journalistisch hektischen Leben zu tun hat, weil es eine Sehnsucht anspricht, die in vielen von uns schlummert: die nach Ruhe, nach Ausstieg aus dem Chaos, nach Konzentration aufs Wesentliche, die Suche nach sich selbst, nach Gott.  Ich werde also sicher nicht selbst Eremitin werden. Aber ich bleibe durch den Kontakt mit vielen von ihnen am Thema weiter dran. Ich habe jetzt schon einige Kontakte von neu Interessierten mit erfahrenen Eremiten geschlossen.

 

 

... über die Autorin:
Die Buchautorin ist promovierte Germanistin. Sie hat im ehemaligen Kösler Verlag, Köln, Sachbücher lektoriert und war Chefredakteurin einer auflagenstarken Zeitschrift.   Mittlerweile arbeitet sie frei mit den Schwerpunkten Kirchen, Soziales und Bildung in Text und Bild u. a. für die Redaktion des General-Anzeigers Bonn, für die Nachrichtenagentur Evangelischer Pressedienst epd und die für Homepage der Evangelischen Kirche im Rheinland ekir. Sie ist Redakteurin einer Publikumuszeitschrift und moderiert Veranstaltungen. Als Buchautorin hat sie mehrere Reise- und Kulturbücher im DuMont und im Bucher Verlag geschrieben. 

 

 

Blick aus der Eremitage in Bonn-Bad Godesberg

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

 

 

 

 

 

Fernsehinterview beim Sender Bibel TV

Ausstrahlungstermin 19.05. um 22:00 Uhr

Wiederholung: 20.05. um 16:00 Uhr

und am 21.05. um 11:30 Uhr sowie am 22.05. um 23.30 Uhr.

Danach finden Sie die Sendung auch online in der Mediathek:

http://www.bibeltv.de/mediathek/bibel_tv_das_gespraech/archiv.html http://www.bibeltv.de/epgimages/295542_dgebbahagenberg.jpg

Eremiten heute

In Deutschland gibt es etwa 100 Menschen, die abgeschieden von der Gesellschaft leben, sogenannte Eremiten. Dr. Ebba Hagenberg-Miliu hat sich für ihr Buch "Allein ist auch genug: Eremiten heute" mit modernen Eremiten in Deutschland beschäftigt. Wovon leben sie? Was tun sie den ganzen Tag? Im Gespräch mit Wolfgang Severin berichtet die Journalistin und Buchautorin von Vorurteilen und Erkenntnissen ihrer Recherche.

Eremiten heute - Bibel TV Das Gespräch - YouTube

www.youtube.com/watch?v=RlAhCwp4Nzc
21.08.2014 - Hochgeladen von Bibel TV
In Deutschland gibt es etwa 100 Menschen, die abgeschieden von der Gesellschaft leben, sogenannte ...

Bibel TV das Gespräch - Eremiten heute | Bibel TV

Bibel TV - Highlights - Bibel TV das Gespraech

Bibel TV - der christliche Familiensender

 

 

 

 

 

 

 

Michaelskapelle in Bonn-Bad Godesberg

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Zeitzeichen, Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft, Berlin,
Ausgabe Dezember 2013:

 

"Reise ohne Rückfahrkarte

Auch gut eineinhalb Jahrtausend nach den alten Wüstenvätern und –müttern machen sich heute immer mehr Menschen auf den Weg in die Stille. Auf der Suche nach modernen Eremiten

Von Ebba Hagenberg-Miliu

 

Nach einer Tasse scharfen Ingwertees kommt Schwester Benedicta zum Eingemachten. „Das Leben in der Zurückgezogenheit ist schon eine Art Kampf“, sagt die Eremitin. Durch das offene Fenster ihrer klitzekeinen Klause an der Bonner Michaelskapelle ist der Verkehrslärm von unten im Rheintal leise zu hören. Jeder habe Schwächen, die im einsiedlerischen Leben besonders offenbar würden. Sie sei nicht eitel, nein. Sie trägt das unauffällig graue Habit des Servitinnen-Ordens. „Aber meine Wurzelsünde ist der Stolz. Jeder hat ja so seine Ecken und Macken“, bekennt die 66-Jährige. 28 Ordensjahre hatte sie schon hinter sich, als sie vor acht Jahren in die Klause zog. „Doch nach einem halben Jahr als Eremitin begann ich, nicht mehr stolz zu sein. Das vergeht einem dann“, sagt Schwester Benedicta und schaut ihr Gegenüber fest an. Sie weiß, es gibt Eremiten, die am selbst gewählten Alleinsein, am Leben auf Messers Schneide, Schiffbruch erlitten. Es gibt immer wieder Rückzüge. Es gibt auch den einen oder anderen Selbstmord unter den „Kollegen“.

 

In Schwester Benedictas kleiner Hauskapelle hängt ein eigenartiger Gekreuzigter: ein Corpus ohne Arme. Warum sie vor einem Behinderten bete, fragten die wenigen Besucher, die zu ihr auf den Berg gelangen, verstört. „Wie gut, dass dann jemand anderes, nicht ich, im Mittelpunkt steht“, lächelt die Schwester und erzählt, dass ihre eremitische Weichenstellung aus einer Berufung erwachsen sei. Denn wenn man so wie sie alles auf eine Karte setze und sich auf den Weg der christlichen Wüstenväter und –mütter mache, dann gehe das ja eigentlich gegen die menschliche Natur. Sie atmet tief durch. Deshalb müsse auch ein moderner Eremit schon mal psychisch stabil sein. Und reif mit Lebenserfahrung. „Am besten hast Du Deinen Heuwagen schon eingefahren. Wenn du alleine da stehst, kannst du nicht fliehen. Dann wird’s delikat.“

 

Worte wie diese von bewusst in Abgeschiedenheit und Stille lebenden Menschen lassen aufhorchen. Gibt es sie denn im 21. Jahrhundert überhaupt noch, diese befremdlichen Menschen, die abseits vom Alltagslärm ein Leben in konsequenter Armut und Askese wagen? Die inmitten einer von pausenloser Erreichbarkeit geprägten Welt doch eigentlich so gar nichts Modernes, Attraktives an sich haben? Gibt es heute wirklich noch Nachfolger dieser Lebensform, die im Kontekt des Christentums aus dem dritten bis fünften Jahrhundert in der ägyptischen Wüste bezeugt ist: in heroischem Einzelgängertum durch Wüstenvater Antonius, in der pädagogischen Variante durch Pachomius, auf den letztlich die Klostergemeinschaften zurückgehen, oder in der Show-Variante durch den bizarren syrischen Säulenheiligen Simeon?

 

Die Antwort ist frappierend: Ja, auch in deutschsprachigen Ländern versuchen seit einigen Jahren immer mehr Menschen, den beschwerlichen eremitischen Weg zu gehen. Und zwar sind hier nicht Zeitgenossen gemeint, die nur einmal kurz aus ihrem Alltag aussteigen, um geistig wie körperlich aufzutanken. Nicht die modernen Sabbatjahr-Anhänger oder alle die, die durch Auswandern zu fliehen versuchen, stehen im Fokus, sondern diejenigen Zeitgenossen, die unbefristet das Hamsterrad ihres Lebens verlassen, die die Reise in die Einsamkeit ohne Rückfahrkarte gebucht haben. Es gibt also immer mehr dieser Exoten, die sich letztlich Sehnsüchte erfüllen, die auch viele von uns umtreiben: Entschleunigung zum Beispiel, einen von Spiritualität bestimmten Alltag, innere Ruhe, Selbsterkenntnis, in zahlreichen Fällen auch den Dialog mit Gott.

 

Die Bonnerin Schwester Benedicta etwa gehört zu einem wachsenden Kreis von derzeit gut 40 römisch-katholischen Eremiten, die sich alle drei Jahre treffen. Auch aus Österreich, der Schweiz, Italien, den Niederlanden, Belgien und Tschechien kommen sie angereist: Einsiedler in strengem kirchlichen Habit oder in legeren Jeans, in Straßenkleidung oder mit orthodox anmutendem Gewand unter dem Rauschebart. Über diese Kerntruppe hinaus soll es allein in Deutschland 80 katholische Eremiten geben, was nach kirchlichen Umfragen einer Vervielfachung der Zahlen in den letzten 20 Jahren entspricht. Sicher hatte hier die 1983 ins Kirchenrecht aufgenommene Anerkennung der Lebensart befreiende Wirkung unter den Aspiraten gehabt.

 

Keuschheit, Armut und das Leben in Abgeschiedenheit dem Heil der Welt zu weihen, das sind seither die von der Römisch-Katholischen Kirche festgeschriebenen Voraussetzungen für diese Art von geweihtem Leben. Die in den Grundzügen aber auch die meisten Feld-Wald-und-Wiesen-Einsiedler erfüllen, deren Zahl natürlich nirgendwo festgehalten ist. Aber macht man sich einmal auf die Suche nach diesen Eremiten in der freien Wildbahn, dann stößt man plötzlich auch hier auf immer mehr Vertreter. Und nicht nur auf diejenigen, die nach einem einsamen Tod in primitiven Waldhütten als kleine Sensation einmal kurz in die Schlagzeilen von Lokalblättern geraten. Es gibt durchaus freie Einsiedler, deren Lebensträume nicht zerschellen.

 

Da ist etwa der heute 57-jährige Schweizer Elektriker Christoph Trummer, der in seinem Jesus-Look über Jahre als fotogener Bilderbuch-Eremit von den Medien verfolgt wurde. In einem Flusstal hatte er sich in eine Sperrholzhütte zurückgezogen, stoisch naturbezogen lebend, meist meditierend, aber durchaus auch Burnout-Geschädigte beratend. Trummer zeigte sich soweit mit sich im Reinen, dass er sogar auf einem Managerkongress darüber referierte, wie sich im Alltag unnütze Regeln brechen ließen. Da ist die ehemalige Berliner Hausbesetzerin Meike Blischke, 46, die heute, aus einem indischen Bettelorden zurückgekehrt, in den Alpen in einer Höhle lebt.

 

Da ist Gisbert Lippelt, ein Ex-Offizier eines Kreuzfahrtschiffs, der seit vier Jahrzehnten hoch über der Küste einer winzigen Mittelmeerinsel sich selbst genug ist. Und da ist etwa auch Anthon Wagner, einst Chef einer erfolgreichen Werbeagentur, den es vor über 30 Jahren auf einmal auf der Schwäbischen Alb in einen alten Schäferkarren zog: in ein zwei mal zwei Meter kleines Eremitenparadies. Wagner reduzierte konsequent alles auf das für ihn absolut Wichtige. Nah ist der 63-jährige Philosphie-Fan hier bei sich und, wenn er das auch nicht so ausdrücken würde, bei der Schöpfung Gottes. „Ich finde nur hier den tiefen Frieden, den immer neuen Lebenskeim.“ Nur auf seiner struppigen Wiese herrsche kein „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Nur wer im Buch der Blüten lese, sei bei sich daheim.

 

Aber auch die Lebenswege zehlreicher weiter kirchlich gebundener Eremiten sind frappierend. Ute Ziegler etwa war viele Jahre im Stressberuf Ärztin, bevor sie nach einer Sinnkrise mitten in Mannheim ihre Lebensmitte fand: in einer Eremitage im obersten Stock eines Mehrfamilienhauses. Wie den verlorenen Sohn habe Gott sie, die seit langem nichts mit dem Glauben mehr am Hut hatte, gerufen und ihr den Weg in ein glückliches Leben gewiesen, berichtet Ute Ziegler. Bruder Gereon stand noch in den neunziger Jahren mit prominenten Kollegen wie Jürgen Becker auf der Kabarettbühne, bevor er, der Wortakrobat, der vom Applaus lebte, eine stille Klause in Friesland der Kölner Großstadtbühne vorzog. „Meine Entscheidung scheint mir unumkehrbar“, sagt der 44-Jährige heute.

 

Bruder Raimund, 65, einst Leiter einer psychiatrischen Einrichtung, hatte alle Katastrophen des Lebens von schwerer Sucht über Straffälligkeit bis zum Scheitern der Partnerschaft hinter sich, als er das ihm entglittene Leben eremitisch wieder in den Griff bekam. Die 35-jährige Schwester Britta sang früher Hardrock und fühlte plötzlich die Berufung, in Regensburg eine der wohl jüngsten Eremitinnen zu werden. Heute betreibt sie sogar einen Internet-Blog, geht also mit ihrer Botschaft der Stille ins weltweite Netz.

 

Auch Bruder Hugo aus den Niederlanden hat im Vergleich zum Gros der Einsiedler schon sehr jung den Weg in die Klause gefunden. Der 39-Jährige nennt aber nach elf Jahren Eremitenerfahrung auch den Preis, den er wie alle seine Kollegen zahlen muss: Es ist letztlich ein Leben ohne Netz und Boden. Jeder muss sich, wenn er alles auf eine Karte setzt, trotzdem seinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Und das, der gewählten Einsamkeit wegen, trotz oft blendender Ausbildung unter einfachsten Umständen. Bruder Hugo, der mit allen Fasern seines Seins die Stille gesucht hat, verrichtet Küsterdienste an einer immer wieder von Pilgermassen heimgesuchten Kapelle. Kein leichtes Ding für ihn, hier die für ihn wichtige „Demut und Sanftmütigkeit“ aufrecht zu erhalten.

 

Eine „Einbahnstraße zur Hölle“ nennt der humorbegabte Bruder Hugo denn auch seinen Dienst. Aber ohnehin setze sich jeder Eremit täglich immer wieder neuen „Trockenzeiten“ aus. „Manchmal bin auch ich nur noch zu einem kleinen Teil überzeugt, dass es einen Gott gibt“, gibt Bruder Hugo ehrlich zu. Dann müsse die Stille an ihm arbeiten. Damit Gott seine, Bruder Hugos, Fehler korrigieren könne.

 

Zurück zur Eremitin Schwester Benedicta, die sich ja als Frau aus Fleisch und Blut entpuppte. Am Nachmittag hat sich bei ihr in der Klause hoch über den Dächern von Bonn ein Paar angekündigt, das sein Kind verlor. Da sei sie seelsorgerisch gefordert, sagt die Eremitin, die früher auf Intensivstationen in Krankenhäusern mitten im Leben stand. Vielleicht finde gerade der schweigsame Eremit, der sich bewusst aus allen beruflichen und menschlichen Beziehungen herausgezogen habe, in Fällen so großen Leides leichter das rechte, das uneigennützige Wort,

vermutet sie.

 

Nicht in dieser, aber für diese Welt da sein, ist denn auch eine besondere Qualität der meisten neuen Eremiten, die sie wiederum in die Nachfolge der alten Wüstenväter und –mütter stellt. Auch eine Ute Ziegler in Mannheim, ein Bruder Hugo in Holland, Schwester Britta in Regensburg, die „Höhlenfrau“ Meike Blischke, selbst Anthon Wagner im schwäbischen Schäferkarren – alle sie öffnen ihre Tür immer wieder für hilfesuchende Zeitgenossen. Eremit zu sein, ist also gestern wie heute partout keine Flucht vor der Welt. Es ist für viele geradezu ein Dienst an der Welt.

 

Ebba Hagenberg-Miliu, Allein ist auch genug. Wie moderne Eremiten leben, Gütersloher Verlagshaus 2013"

http://www.zeitzeichen.net/

 

 

 

 

 

Eremitage in Bonn-Bad Godesberg

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

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SWR2 GLAUBEN
 
Selige Einsamkeit. Wie Eremiten heute leben
 
Von Isa Hoffinger
 
SENDUNG 10.11. 2013 /// 12.05 UHR (Ausschnitt)
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Sprecherin:
Rund 80 Einsiedler, die römisch-katholisch sind,gibt es in Deutschland. Etwa 80 Prozent sind Diözesaneremiten, 20 Prozent Ordenseremiten. Nicht alle Orden erlauben, dass sich ein Bruder oder eine Schwester aus der Gemeinschaft herauslösen. Die Journalistin Ebba Hagenberg-Miliu meint, dass es für Frauen schwerer sei, dieses Leben zu wählen. Für ihr Buch „Allein ist auch genug“ hat sie mit vielen Eremiten gesprochen.
Ebba Hagenberg-Miliu:
Das ist nur, im deutschsprachigen Raum,bei zwei Ordensfrauen bekannt,dass ein Orden einverstanden war, die Frauen allein leben zulassen, die Orden scheinen das den Frauen nicht unbedingt zuzutrauen, diesenschwierigen, gefährlichen Weg auch alleine zu gehen.
Sprecherin:
Immer wieder gibt es Eremiten, die von ihren Ordensvätern- oder müttern
ins Kloster zurückgeholt werden müssen, weil sie durch die Einsamkeitpsychisch krank geworden sind. Im Gegensatz zum Leben im Orden, bei dem die Gebetszeiten vorgegeben sind und Großküchen für regelmäßigeMahlzeiten sorgen, müssen Eremiten ihren Tag selbst strukturieren. Auch an der Aufgabe, Geld zu verdienen, scheitern viele. Ebba Hagenberg-Miliu traf auch Männer und Frauen, die ohne Bezug zur Religion allein in der Natur leben.

 

Ebba Hagenberg-Miliu:
Ich bin an einen ganz wunderbaren Eremiten geraten, der auf der
schwäbischen Alb n einem Schäferkarren sitzt und das seit über 30Jahren. Das ist ein ehemaliger Chef einer Designeragentur, der die Agentur seinen Angestellten übergeben hat, weil er in diesem Hamsterrad des Lebens nicht weiter funktionieren wollte. Der malt jetzt, der geht tagsüber ins Atelier und dann in seiner Freizeit sofort wieder in seinen Schäferkarren. Das heißt eineinhalb Meter mal zwei Meter im Quadrat, das ist seine Welt. Und der Mann ist glücklich.
...
 
 
 

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

 

 

 

 

 

Interview in ZDF heute: Schon wieder Montag

mit Maya Dähne am 7. Oktober 2014

 

Schon wieder Montag...

 

"Raus aus dem Hamsterrad - ohne Rückfahrkarte"

 

Immer mehr Menschen fühlen sich vom Leistungsdruck der modernen (Arbeits-)Welt überfordert und träumen vom Ausstieg. Die Buchautorin Ebba Hagenberg-Miliu hat Menschen getroffen, die sich für immer von Job und Familie verabschiedet haben und nun als Eremiten leben. 

 

heute.de: Einen Ausstieg auf Zeit können sich immer mehr Menschen vorstellen, aber was treibt Menschen an, komplett auszusteigen und als Eremit zu leben?
 
Ebba Hagenberg-Miliu: In vielerlei Hinsicht sind sich Menschen, die einfach eine Auszeit nehmen und diejenigen, die komplett aussteigen, ganz ähnlich. Sie wollen dem Stress, der Hektik, der Reizüberflutung entkommen. Sie halten die Übersättigung und Rastlosigkeit nicht mehr aus. Sie wollen einfach ausbrechen aus dem Hamsterrad. Jemand, der ein Sabbatical macht, steigt aus, tankt auf, steigt aber irgendwann auch wieder ein ins normale Leben. Bei denen, die beschließen, als Eremiten zu leben, ist dieser Ausstieg unbefristet, sehr radikal und ohne Rückfahrkarte.

 

heute.de:Was für Menschen sind diese Komplettaussteiger?
Hagenberg-Miliu:Das sind meist keine weltfremden Spinner oder religiöse Frömmler, sondern Leute, die mitten im Leben gestanden haben und sehr erfolgreich waren: eine Ärztin, ein politischer Kabarettist, ein Kaufhauschef, ein Kreuzfahrtschiffsoffizier.

 

heute.de:Warum haben diese Menschen ihre Jobs und ihr Leben so radikal an den Nagel gehängt?
Hagenberg-Miliu:Auslöser waren ganz oft Krisensituationen. Sie haben eine Art Rettung gesucht. Und die Rettung bestand für sie darin, Abschied zu nehmen von allen und allem, von der Familie, vom Job. Das kann befreiend sein, aber es ist natürlich auch ein großes Risiko.

 

heute.de: Zum Beispiel, wenn man krank wird oder im Alter auf Hilfe angewiesen ist?

 

Hagenberg-Miliu:Genau, das ist der wunde Punkt der Geschichte. Wenige Eremiten durften in einem Orden verbleiben, einige haben Ersparnisse, von denen sie zehren, so wie Anton Wagner, der seit 30 Jahren auf der Schwäbischen Alb in einem Schäferkarren lebt. Der hatte früher eine Grafikdesign-Agentur und lebt von seinem Ersparten. Aber es gibt durchaus Eremiten, die dabei regelrecht vor die Hunde gehen. Das Leben eines Eremiten ist tatsächlich nicht nur himmelblau und idyllisch. Es gibt ganz klare Lebens- und Überlebensängste

 

heute.de:Diese Menschen haben keine Krankenversicherung, keine Rentenansprüche, keinen Job. Wie verdienen sie ihren Lebensunterhalt?
Hagenberg-Miliu:Eremiten müssen auf jeden Fall weiter ihr Brot verdienen. Niemand sitzt nur auf der Wiese und lässt die Sonne scheinen. Es sind vielfach Leute, die früher in sehr hoch qualifizierten Jobs gearbeitet haben und jetzt ihren Lebensunterhalt mit Handlangerarbeiten verdienen. Schwester Benedicta zum Beispiel, eine Ordensfrau und ehemalige Krankenschwester, die früher im OP gestanden hat, verziert Kerzen im Akkord, um Geld zu verdienen. Das ist ein hartes Brot!

 

heute.de:Der Ausstieg - auf Zeit oder für immer - fasziniert viele Menschen, auch wenn sie selber diesen Schritt vielleicht nicht wagen.

 

Hagenberg-Miliu: Ja. Das trifft einen Nerv der Zeit. Es gibt jede Menge Bücher und Filme über Aussteiger. Eine ganze Branche boomt und verdient mit spirituellen Angeboten, Auszeiten im Kloster, Schweige- und Fastenwochen viel Geld. Das hat sicher auch mit der Sehnsucht vieler Menschen zu tun, einer immer komplexeren, globalisierten und ökonomisierten Welt zu entkommen – auf Zeit oder lebenslänglich.

 

Ebba Hagenberg-Miliu ist Journalistin und lebt in Bonn. Im April ist ihr Buch "Allein ist auch genug: Wie moderne Eremiten leben" erschienen.

 

Das Interview führte Maya Dähne

07.10.2013

Schon wieder Montag ... - heute-Nachrichten

 

 

 

 

Anthon Wagner

Foto: privat

 

 

 

 

 

 

Interview von Isa Hoffinger u. a. mit Ebba Hagenberg-Miliu

Deutschlandfunk, Sendung "Tag für Tag" (Ausschnitt)

01.04.2013
 

Allein mit ihm

Wie Eremiten heute leben

Von Isa Hoffinger

 

Rund 80 Einsiedler gibt es derzeit in Deutschland - und das Interesse an dieser Lebens- und Existenzform wächst. Doch so manche Neulinge, die sich auf den Weg in die Stille begeben, brechen schon nach wenigen Wochen ab. Sie unterschätzen die Abgeschiedenheit.

...


Die Journalistin Ebba Hagenberg-Miliu hat mit verschiedenen Eremiten gesprochen. Sie hat auch Menschen im deutschsprachigen Raum gefunden, die ohne Beziehung zur Religion asketisch leben, als Aussteiger in der Natur. In ihrem gerade erschienenen Buch "Allein ist auch genug" berichtet sie darüber. Die erste Eremitin, die Ebba Hagenberg-Miliu traf, war Schwester Benedicta. Sie gehört zum italienischen Servitinnen-Orden und wohnt in Bonn, in der Michaelskapelle, einer historischen Klause, die etwas unterhalb des Godesburg-Gipfels liegt.

Ebba Hagenberg-Miliu: "Ich komme also in eine Eremitage rein, sehr klein, alles sehr gedrungen, sehr einfach - und da sitzt mir eine Frau gegenüber, von der ich eher erwartet habe, dass sie jenseits jeder Wirklichkeit lebt - und es ist eine Frau, die regelrecht aus Fleisch und Blut ist. Und sie verbreitet, mit dem, wie sie ist, was sie ausstrahlt - und das hab ich eben auch bei anderen Eremiten erlebt - eine Aura, die faszinierend ist. Sie ist Schwester auf einer Intensivstation im Krankenhaus gewesen, Gemeindeschwester, also mitten im prallen Leben, und hat sich dann, in einer Situation Mitte 50, entschieden, einen ganz anderen Weg einzuschlagen, der sich aber auch schon angebahnt hatte in den Wünschen, den Träumen, den Sehnsüchten, die sie hatte - eben ganz bei sich zu sein, Stille zu leben."

Besucher sind bei Schwester Benedicta willkommen.

Hagenberg-Miliu: "Sie kapselt sich bewusst vom täglichen, allgemeinen Leben ab, aber andererseits lässt sie Menschen auf sich zu, die Hilfe suchen. Und dieses seelsorgerische Element, was Eremiten beherrschen, das ist, denke ich, eine Qualität, die auch sehr gut in die heutige Zeit passt."


Bewegt haben die Autorin auch Begegnungen mit freien Eremiten.

Hagenberg-Miliu: "Ich bin an einen ganz wunderbaren Eremiten geraten, der auf der Schwäbischen Alb, auf einer schönen Wiese, in einem Schäferkarren sitzt und das seit über 30 Jahren. Das ist ein ehemaliger Chef einer Designeragentur, der irgendwann aber mal hingeschmissen hat und die Agentur seinen Angestellten übergeben hat, weil er in diesem Hamsterrad des Lebens nicht weiter funktionieren wollte. Der malt jetzt, der geht tagsüber ins Atelier in einer kleinen Örtlichkeit in einem Dorf und dann in seiner Freizeit sofort wieder in seinen Schäferkarren. Das heißt eineinhalb Meter mal zwei Meter im Quadrat, das ist seine Welt. Und der Mann ist glücklich."

Frage: Aber kann man Menschen, die zwar allein, aber ohne inneren Bezug zur Religion leben, tatsächlich Eremiten nennen?

Hagenberg-Miliu: "Die katholische Kirche wird mich jetzt schelten, und die orthodoxe wahrscheinlich auch, dass ich diese Menschen Eremiten nenne. Aber ich denke schon, dass ich in meinem Buch Parallelen herausarbeiten konnte, die frappierend sind: Wenn der Mensch sich selbst genug sein kann, wenn der Mensch kein Gegenüber braucht - jetzt würde der katholische Eremit sagen, kein Gegenüber außer Gott, und der freie Eremit wird sagen, wenn ich kein Gegenüber habe außer der Natur, der Schöpfung, und ich mir selbst genug bin, dann lebe ich eremitisch. Dann kann ich demütig sein und mich auf mich selber konzentrieren. Jeder, der sich zum Inneren seiner selbst aufmacht, ist auch auf dem Weg zu Gott."

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 http://www.dradio.de/dlf/sendungen/tagfuertag/2057085/

 

 

 

 

Eremitage in Bonn-Bad Godesberg

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

 

 

 

 

 

Interview von Christian Döring mit Ebba Hagenberg-Miliu,

"Buecher aendern Leben"

April 22, 2013 ·Ebba Hagenberg – Miliu hat buecheraendernleben folgende Fragen beantwortet:

 

Frage: Liebe Frau Hagenberg – Miliu, soeben ist Ihr Buch über das Leben moderner Eremiten erschienen. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

 

Ebba Hagenberg-Miliu: Durch meine journalistische Arbeit. Ich bin Lokaljournalistin in Bonn und hatte davon gehört, dass in der alten Eremitenklause am Godesberg eine waschechte Eremitin zugezogen war. 200 Jahre hatte die Klause leer gestanden. Ich nahm also Kontakt mit Schwester Benedicta auf. Was mochte da auf mich warten? Ich war neugierig und voreingenommen zugleich: Eremitisches Leben war bestimmt journalistisch interessant, war exotisch, aber ging mich selbst sicher überhaupt nicht an. Ich stecke voll im hektischen Journalistenalltag drin, bin verheiratet, habe zwei Kinder. Und dann traf ich auf eine Frau, die keineswegs seltsam und weltfremd, sondern absolut aus Fleisch und Blut war und mitten im Leben stand.

 

Frage: Haben Sie selbst Eremiten getroffen und wie waren Ihre Begegnungen?

 

Hagenberg-Miliu: Die Begegnung mit der ersten leibhaftigen Eremitin meines Lebens, Schwester Benedicta, hat mich schon fasziniert. Sie zeigte mir, was es ganz praktisch heißt, sich in die Stille zurückzuziehen, die Langsamkeit zuzulassen, sich asketisch auf das Nötige beschränken zu können und so etwas wie die Vermessung des Ichs anzugehen. Und natürlich, so betont es Schwester Benedicta, in direkten Dialog mit Gott zu treten. Es heißt aber oft auch, seelsorgerisch auf Hilfesuchende eingehen zu können. Eine ganze Reihe Eremiten betreut Menschen in schwierigsten Lebenssituationen. Erstaunlich. Mir hat die Bonner Eremitin als Türöffnerin einige Kontakte zu anderen kirchlich ausgerichteten Eremiten geebnet. Zu denen ich dann in einem sensiblen Prozess mit Fingerspitzengefühl Vertrauen aufbauen konnte. Andere Kontakte auch zu freien Eremiten sind durch journalistische Recherche entstanden. Etwa der zu Anthon Wagner, der sich seit Jahrzehnten in einem engen Schäferkarren auf einer Wiese in der Schwäbischen Alb absolut genug ist. Der eine Freude an der Natur, der Schöpfung, ja eine Lebensfreude ausstrahlt, die ansteckend wirkt.

 

Frage: Über Sinnkrisen und Neufindung ist in Ihrem Buch viel zu lesen. Wie ist das aber im ganz praktischen Leben. Ist ein moderner Eremit beispielsweise krankenversichert?

 

Hagenberg-Miliu: Gute Frage. Die meisten haben keine Krankenversicherung oder sonstige Absicherungen. Außer denen, die in ihren Orden oder unter die Fittiche einer Diözese zurückkehren können, wenn Alter oder Krankheit drohen, setzen sich Einsiedler meist großen Gefahren aus. Eremitisches Leben zu wagen, heißt auf jeden Fall, auf die Risikotaste zu drücken. Ich meine mit Eremiten also nicht die Menschen, die mal auf Zeit aus dem Hamsterrad des Alltags aussteigen, um dann mit neuen Kräften voll wieder einzusteigen. Ich meine nicht diejenigen, die zeitweise vor dem Leben flüchten, weil sie mit Gott und der Welt nicht zurecht kommen, sondern diejenigen, die meist nach existentiellen Krisen bewusst eine Reise ohne Rückfahrkarte buchen. Die kirchlich nahen Eremiten würden sagen: die sich berufen fühlen und die Reise mit Gottvertrauen antreten. Es ist aber schon mancher Eremit voll gegen die Wand gefahren.

 

Frage: Was macht ein Eremit der zurück in den Alltagstrott will? Ist Ihnen so ein Eremit schon einmal begegnet?

 

Hagenberg-Miliu: Ich habe von Eremiten erzählen hören, die irgendwann merkten, dass die Entscheidung für sie persönlich nicht gut war. Denn kein eremitisches Modell ist wie das andere. Da muss jeder selbst seinen Weg finden. Eine kirchennahe Eremitin hat sich etwa plötzlich verliebt und hat sich dann in eine Partnerschaft verabschiedet. Das haben ihr die „Kollegen“ nicht übel genommen, weil sie ehrlich zu ihrem Gefühl stand. Ein anderer Eremit soll mit der Entscheidung nicht glücklich geworden sein und seither ständig unter Krankheiten leiden. Es scheint also auch sehr schwer, sich einzugestehen, den falschen Weg für sich eingeschlagen zu haben. Ein Eremit hat zuvor ja auch fast alle Brücken abgebrochen. Ich hörte auch von Eremiten, die psychiatrisch behandelt werden mussten oder Selbstmord begingen.

 

Frage: Was glauben Sie, warum ist über moderne Eremiten heute so wenig in der zu hören?

 

Hagenberg-Miliu: Weil die Lebensform auf den ersten Blick so überhaupt nicht modern und attraktiv erscheint. Wer will schon verzichten, keusch leben, Demut üben? Wer hält heutzutage in unserem zugedröhnten Alltag überhaupt noch Stille aus oder die Konzentration auf sich selbst? Das erscheint sicher nicht chick, nicht erstrebenswert. Eremiten bieten ihre Lebensform ja auch nun mal gar nicht preis. Schwester Benedicta etwa sagt: „Wir haben alle eine große Scheu. Das, was wir leben, haben wir in einem irdenen Gefäß. Das ist zerbrechlich. Das muss man hüten und schützen.“ Von daher war es oft ein Balanceakt, an diese zurückgezogenen Menschen überhaupt heranzukommen, so dass sie sich öffneten. Ich bin froh, über die Recherche Kontakt zu einigen wunderbaren Menschen gefunden zu haben.

 

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

 

http://buecheraendernleben.wordpress.com/2013/04/22/ebba-hagenberg-miliu-allein-ist-auch-genug/

 

 

 

 

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu
Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Links

„Das Buch trifft einen Nerv. Fragen wie die, wo ich eigentlich stehe und was ich der Welt geben kann, liegen in der Luft.“

Paula Konersmann, Katholische Nachrichten-Agentur KNA

 

 

 Entstanden ist ein spannendes Buch, das nicht nur Einblick in den Alltag der modernen Einsiedelei bietet, sondern auch zentrale Fragen an den modernen Lebensstil stellt, der nach immer mehr strebt, der immer hektischer wird und der immer weniger Zeit für Gott hat.“

K. Rüdiger Durth, Homepage Evangelische Kirche im Rheinland

 

 

"Sehr lesenswert finde ich dieses Buch, weil nicht nur römisch-katholische und kirchliche Eremiten zu Wort kommen, sondern auch Menschen, die sich nicht aus Glaubens-gründen in das Leben als Einsiedler zurückgezogen haben."

Schwester Britta Alt, Eremitin, online

 

 

"Die Autorin zeigt zudem Möglichkeiten auf, wie man im Alltag das Eremitendasein auspro-bieren kann, ohne gleich den radikalen Schritt gehen zu müssen."

Frank Vallender,

General-Anzeiger Bonn

 

 

"Den Frauen und Männern unterschied-lichen Alters, die den Verzicht auf Sicherheit als befreiend empfinden, nähert sich Ebba Hagenberg-Miliu fragend, aber mit Respekt. Das Buch öffnet den Blick für ein kaum wahrge-nommenes Phänomen. Und es zeigt, dass Eremiten gar nicht so weltfremd sind, wie sie manchmal abgestempelt werden."

Marius Koity, Ostthüringische Zeitung

 

 

"Sie verschafft ihren Hauptdarstellern im dicht besiedelten Europa etwas Raum und bietet dem Leser Beispiele, wie sie das Alleinsein selbst testen könnten. Ein lesenswertes Buch, das tiefe Einblicke gibt."

Philipp Königs,

Bonner Rundschau

 

 

"Dabei gehe es um den Ausbruch aus dem Hamsterrad des Alltags, aber auch um die Durststrecken zwischen-durch und die neuen Kräfte, die die Eremiten aus der Einsamkeit heraus entwickelten."

Esther Soth, Evangelischer Presse-dienst epd

 

 

"In der gegenwärtigen, überaus hektischen Zeit wird es für den Einzelnen immer wichtiger, eine Entschleunigung durch Zeiten der Ruhe und Stille, der Besinnung und Meditation herbeizu-führen. Das Buch ist empfehlenswert für alle spirituell interessierten Leser."

Michael Mücke,

St. Michaelsbund

 

 

"Allein den Spagat zu meistern, zwischen kirchlich orientierten Eremiten und den nicht-kirchlich orientierten Einsiedlern zu unter-scheiden und dabei doch die großen Linien der Gemeinsamkeiten im Blick zu behalten, ist eine großartige Leistung. Mit diesem Buch ist der Autorin ein kleines Meisterwerk gelungen, das gerade demjenigen, der in der "normalen" Alltagswelt zu Hause ist, Anregung und Begleiter sein kann."

Christoph Bauerle, Katholiken im Burgviertel

online

 

 

"So ist eine fesselnde und einzigartige Dokumen-tation über Lebensformen und Lebensmöglichkeiten entstanden, die unser Bild von unserer sozialen Welt um eine bedeutsame Dimension erweitert."

Barbara Ter-Nedden, Parkbuchhandlung online

 

 

"Gut geschrieben, immer die notwendige Diskretion wahrend, lässt uns die Autorin teilhaben an einem Leben, von dem die Meisten heute meinen, dass es dies gar nicht mehr gibt."

K. Rüdiger Durth,

Der PROtestant

 

 

 

"Für die Frage, wo Dimen-sionen der Veränderung unseres eingefahrenen Lebensstils zu suchen sind, finde ich dieses Buch durchaus anregend."

Brigitta Kasprzik, Stadtbücherei Tübingen online